Ausstellung / Cecilia Alarcón Tobosquez 5/18

Familienfoto, 1973

Familienfoto, 1973
María Elena Alarcón Tobosquez, Claudia Isabel Alarcón Tobosquez, Victor Alarcón Tobosquez und Cecilia Alarcón Tobosquez
Dieses Foto wurde aufgenommen, um es dem Vater von Cecilia Alarcón ins Gefängnis zu schicken. Auf der Rückseite handschriftlich vermerkt: „Mit aller Liebe deiner Kinder. Für unseren Vater.“
Foto: Professioneller Fotograf in Coronel

Unser Leben musste weitergehen, den Papa sagte, es müsse normal weitergehen […]. Klar, der ein­zige Unterschied war, dass sie meinem Vater keinen Lohn mehr zahlten und meine Mutter mit vier Kindern dastand. Was tun? Meiner Mutter gehörte das Haus. Und was war? Mein damals sechzehnjähriger Bruder musste arbeiten gehen. Er studierte in der Industrie­schule und [jetzt] musste er arbeiten gehen. Und ein bisschen die Vaterrolle übernehmen, er fühlte eine große Verpflichtung. Deshalb schätze ich meinen Bruder sehr […]. Und so arbeitete er mit einem Nach­barn und Papas Lastwagen. So transportierten sie Fisch, Wasser und alles Mögliche […] Wir konnten uns er­hal­ten. […] Und meine Mama sagte: „Wir wissen nicht recht… Papa geht weg.“ Und wir sagten: „Na, aber vielleicht können wir uns von ihm verabschieden.“ „Ja, ja, wir können, wir können.“ Und er war in Tres Álamos. Da fuhren wir alle nach Santiago und wollten uns verabschieden. In Santiago musste man enorme Schlangen bilden und warten. Eines Tages, da gingen wir zu ihm. Wir waren in einer Schlange und auf ein­mal kommen die Carabineros und ziehen uns alle nach hinten, weil aus den Toren Kleinbusse voller Leute herauszufahren begannen. Da fingen die Leute alle zu weinen und zu schreien an: „Aber was ist los? Wohin bringen sie sie? Wir können uns nicht verabschieden!“ Und wir dachten auch, dass wir nicht… Vielleicht hatten sie Papa schon weggebracht, wir wussten nicht wirk­lich, wann er abfahren würde. Und dann fragten wir und sie sagten, nein, wir könnten ihn schon sehen. Und da sahen wir ihn, praktisch zum letzten Mal vor [seiner Abfahrt]. […] Da sahen wir ihn zum letzten Mal. Als sie danach den Tag bekannt gaben und schon feststand, wann er fahren würde, sagten wir: „Gut, dann können wir uns am Flughafen verabschieden.“ Und sie sagten: „Nein, das wird nicht möglich sein […].“ Na, an dem Tag kamen wir trotzdem zum Flughafen, mit einigen Cou­sins aus Santiago, und der Flughafen war voll und man konnte eigentlich die Verbannten nicht sehen. Da be­gan­nen die Leute zu schreien, zu weinen, zu stampfen: „Aber nein! Wie kann das sein? Wir müssen uns von ihnen verabschieden!“ […] Und inmitten all dieses Protests auf dem Flughafen gelang es uns immerhin, ihn zu umarmen und ihm Auf Wiedersehen zu sagen… und dann waren sie weg… Was ich eigentlich mit dem Deutschen assoziierte: die Filme, in denen sie den Krieg und solche Dinge zeigten, und ich erinnerte mich daran […]. Ich hatte noch nie Deutsch gehört und […] kam ein Onkel, der uns sagte: „Danke, danke!“ Und ich sagte: „Was ist Danke?“ Sie sagten mir, das heiße „gracias“ und das war wohl das erste Wort, das ich lernte […]. Ich sagte ihm: „Wo hast du das denn gelernt, Onkel?“ „Ach, ich habe einen deutschen Freund und der sagt mir immer ‚Guten Tag‘ und ‚Danke‘.“ Und ich sagte: „Wow, wir werden Deutsch lernen müssen, aber gut, so sei es.“ Und der erste Eindruck war gut, wir kamen im Oktober an. Kalt. Wir kamen an den Flughafen: kalt. Na, wir waren sehr aufgeregt, sehr begeistert, sehr… wir waren jung, ich war 15 Jahre alt, wir waren Jugendliche und sehr… na, eben aufgewühlt. Was erwartet uns? Alles war sehr merkwürdig und, gut, wir freuten uns, Papa zu sehen, und dann trafen wir einander alle...
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