Ausstellung / Cecilia Alarcón Tobosquez 4/18

Unter meinen drei Geschwistern war es ich, die meinen Vater […] zu Veranstaltungen begleitete […]. Ich begleitete ihn […] oft und, weil ich indirekt schon ein wenig in diesen ganzen Prozess – den Prozess von Allende – eingebunden war, erlebten wird das und ich erinnere mich sehr gut daran. Auch an die Freude, die es damals gab […] und da nahm ich wirklich teil. Denn die Kohle-Zone […] war sehr kämpferisch. In der Tat legte ich mich oft mit den Nachbarn an, zum Bei­spiel. Denen sagten wir, sie seien Konservative, und ich trat zur Verteidigung an, weil ich wusste, dass es einen [politischen] Prozess gab. Aber nein, klar verstand ich nicht alles, was vorging, im Detail, doch ich wusste, es würde eine Veränderung geben und dass diese Ver­ände­rung gut war, weil mein Papa uns sagte, sie sei notwendig, um neue und bessere Dinge zu schaffen. Also waren wir auch auf dem Laufenden und wir freuten uns, dass das geschah und wir es auch erlebten den Triumph des 70er Jahres. Im 73er Jahr waren wir in Concepción in der Schule La Providencia, die von Non­nen geführt wurde. Und wir hatten auch die ziem­liche Feindseligkeit dieser Schuljahre […] erlebt, denn wir kamen aus Lota-Coronel, also aus der, unter An­füh­rungs­zeichen, ärmsten und kämpferischsten Gegend Chiles; wir waren sozusagen alle Kommunisten und kamen zum Studieren nach Concepción. Und so erin­nere mich stark an diese zwei Jahre, dass es viele Kon­fron­tat­ionen direkt in der Schule gab, wo wir gespalten war […], die Klasse war praktisch in Hälften gespalten: die aus Concepción auf der einen Seite, die aus Coronel und Lota auf der anderen Seite. Hier waren die Linken und dort waren die Konsis. So war das damals, ich war zwölf, 13 Jahre alt. Und wir lebten auch in [ständiger] Schikane nicht nur seitens der Schülerinnen, sondern auch… vor allem einer Nonne, die uns quasi täglich übel quälte. Und aus diesem Grund lancierten wir ein bisschen einen Gegenangriff. Na, und im 73er Jahr reisten wir im Zug von Coronel nach Concepción, wir erreichen den Bahnhof von Concepción und sehen ihn voller Milizionäre. Und wir erschrecken und sagen: „Was ist da los?“ […] Das war so um halb acht in der Früh […] und wir sahen […] Truppenverschiebungen, sie rannten hin und her, und wir sagen sogar Flugzeuge vorüberfliegen und wir verstanden nicht, was geschah, wir wussten nicht was geschah. Als wir ankamen, gab es keine Kleinbusse, die hatten sie stillgelegt, wir mussten vom Bahnhof bis in die Schule zu Fuß gehen. Wir erreichten die Schule und die Nonne erwarteten uns und sagten: „Bitte, sofort alle nachhause, sofort alle nachhause!“ Und wir gingen alle zu Fuß zurück, die ganze Gruppe aus Coronel, aus Lota, wir gingen wieder zu Fuß und versuchten, einen Zug zu nehmen. Ich erin­nere mich nicht, ob wir mit dem Kleinbus… mit dem Zug… ich glaube mir dem Kleinbus zu letzterem… wir kehrten nach Coronel zurück. Und ich komme nach­hause, gemeinsam mit meiner Schwester… ich komme nachhause und meine Mutter war in der Küche und hörte Allendes Worte über das Radio. Und meine Mut­ter weinte. Weinend erklärte sie uns [was geschah] und sagte uns: „Sie haben den Präsidenten umgebracht.“ Und wir verstanden gar nichts, wir sagten: „Aber Mama, was ist passiert? Wo ist Papa?“ „Papa ist nicht da, also geht bitte in eure Zimmer und seid still. Hier passiert [euch] nichts.“ Währenddessen erledigte meine Mutter weiter ihre Sachen und lauschte und wir waren ganz still. Wir durften keine Fragen stellen.

Die Tage vergingen, Papa kam nicht nachhause und ich, die ich ein bisschen aufgeweckter war als meine Ge­schwis­ter, fragte sie: „Mama, wo ist Papa?“ „Nein, Papa ist nicht gekommen, er kommt bald.“ Und sie sagte uns gar nichts und die Tage vergingen und Papa kam nicht nachhause. Und ich […] sah und hörte mich immer um, was vorging, und bemerkte […], dass in der Nacht oder am Abend Leute kamen, heimlich mit meiner Mutter sprachen und wieder gingen. Und wir fragten weiter: „Aber Mama, wo ist Papa?“ „Nein, Papa kommt schon, er kann nicht, weil er unterwegs sein muss… hier gibt es einen Militärputsch, sie suchen ihn bestimmt und er hat sich ver­steckt.“ Und wir sagten: „Aber Mama, wo hat er sich versteckt?“ „Ich weiß nicht, wo er sich ver­steckt hat, keine Fragen mehr… ihr wisst gar nichts!“ Also versuchten sie uns immer in Unwissenheit zu las­sen, meine Mutter sagte uns: „Er kommt schon, sorgt euch nicht, wir bleiben hier zuhause und ihr geht nicht raus, ihr bleibt hier, alle bleiben zuhause!“ Na, und ei­nes Tages kam Papa, ich weiß nicht mehr, welcher Tag es war. Er kam, um sich zu waschen und zu essen. Und da sahen ihn, wir begrüßten ihn, aber fragten [auch]: „Papa, was ist los?“ Und Papa sagte: „Nein, nein, keine Sorge, ich muss mich verstecken, weil es einen Militärputsch gibt und man nicht weiß, was passieren wird, und es viele versteckte Genossen gibt, die man jetzt suchen wird, also… Aber ganz ruhig, es wird nichts geschehen, bleibt hier zuhause und tut alles, was Mama sagt!“ Und so vergingen die Tage und Papa war immer noch nicht zurückgekommen und da bekam meine Mutter langsam Angst, weil die Frauen… Wir waren drei Schwestern, meine kleine Schwester drei, ich 13, meine Schwester 14 Jahre alt und mein Bruder 15… Sie sagten: „Die Mädchen gehen zur Tante, die Schwester meiner Mutter nebenan, da kann ihnen nichts passieren.“ Denn man hörte schon von Ver­ge­wal­tigun­gen und dass sie in Häuser eindrangen und all das. Und wir hatten Angst, so schickten sie uns alle drei Mädchen nach nebenan zu meiner Tante und meine Tante nahm uns alle auf und wir schliefen dort. Nur meine Mutter blieb mit meinem Bruder zuhause. […] Aber immer vorsichtig und auf Ausguck… Und wir wussten, dass mein Papa versteckt war und ein Onkel von mir fuhr eines Tages mit dem Lastwagen, ihn abzuholen. Und als er gerade bei einem Kommissariat in Schwager vorbei­fuhr […], hielten sie den Lastwagen von Onkel Ramón auf […] und da verhafteten sie meinen Papa zum ersten Mal. Das war, glaube ich, Ende September 73 […]. Meine Mama erfuhr sofort davon, dann damals waren viele Leute unterwegs, und da er bekannt war, wurde gleich verbreitet: „Sie haben Juanito verhaftet.“ Und sie sagten es meiner Mama. Meine Mama brach sofort auf, um herauszufinden, wo er war. Er war im Kom­missariat in Schwager und später überführten sie ihn ins Stadium von Concepción. Im Stadium von Concepción blieb er ein paar Tage oder so, und er war auch im Kommis­sariat von Concepción. Dann ließen sie ihn laufen und es hieß: „Wie kann es sein, dass ein Kommunist wie Juanito Alarcón frei herumläuft?“ und sie nahmen ihn wieder fest. [Dann] schickten sie ihn in die Salzminen von Chacabuco im Norden, wo er sieben Monate in Haft war. Nach diesen sieben Monaten überführten sie ihn nach Santiago und in Santiago war er in Puchuncaví, Quintero, Tres Álamos, Cuatro Álamos… an verschie­denen Orten, bis sie ihn des Landes verwiesen, und das war Anfang 75, glaube ich, ja. Da haben sie ihn ver­bannt. […]   weiter lesen