Ausstellung / Gabriela Carmen Estevez Fuentes 8/15
[Kontakt nach Chile gab es über] Kassetten, Briefe, Anrufe. Also, ich kann mich erinnern, […] den Kontakt, den ich mit meinem Vater gehabt habe zu der Zeit, wo er hier […] war, in Traiskirchen […] zuerst. Und von Traiskirchen kam er dann in die Jägerhausgasse in Mödling ins Flüchtlingsheim, wo dann sehr viele Chilenen waren. Und da hatten wir den Kontakt mit Kassetten. Ich kann mich noch erinnern, bei mir war immer der größte Wunsch: Wenn ich den Papa wieder seh’… und ich wünsch’ mir ein rotes Fahrrad. Das ist mir bis heute noch immer in Erinnerung, ich hab’ immer geredet von dem roten Fahrrad. Und wie ich dann nach Wien... also nach Österreich gekommen bin, stand mein Vater tatsächlich dann da in dem Flüchtlingsheim mit dem roten Fahrrad, nur war das viel zu groß für mich, und da mussten wir’s austauschen und ich hatte dann ein kleines gelbes Fahrrad. […] Kontakt hatten meine Eltern […] mit der Familie, ich habe eher durch Erzählungen den Kontakt gehabt. Mein Leben war doch hier, mit meinen Freunden… In die Schule gehen und so weiter… Also es war nicht so, dass ich selber jetzt Briefe geschrieben hätte an meine Oma oder… Meine Eltern hatten Kontakt mit meinen Großeltern, mit meinen Tanten und Onkeln. Ja, und dann haben sie mir immer wieder Sachen erzählt, wie’s ihnen geht. Mit 16 Jahren flog ich das erste Mal nach Chile, also elf Jahre später. [Dort kannte ich] meine Oma […] und natürlich ein paar Cousins und Cousinen, aber im Großen und Ganzen war das auch für mich alles neu. Was wahnsinnig schön war, ist diese ganze Liebe, die ich bekommen hab’. Da hab’ ich mich total angenommen gefühlt und die haben sich alle sehr gefreut, dass wir da sind […]. Also für mich war so diese politische Situation gar nicht mehr so präsent, weil das alles rein in die Familie ging […]. Anfangs war es schon ein bisschen fremd. Wie wird das wohl sein, wenn man drüben ist? Aber ich hab’ mich sehr schnell zuhause gefühlt. […] Mir ist auch der Abschied sehr, sehr schwergefallen. Ich wollt’ eigentlich bleiben. Also, wenn meine Eltern da gesagt hätten: „Wir bleiben!“, wäre ich dortgeblieben. […] Es war die Familie, es war dieses Aufgenommen-Werden. Ich hab’ mich sehr wohl mit ihnen gefühlt. Ja, es war dort wieder… ein Nest, sozusagen… mit der Oma, Cousins und Cousinen. Dann war natürlich auch Weihnachten, Silvester, wahrscheinlich waren dazwischen auch Geburtstage… und das war schon sehr prägend, diese Phase. [In Wien lebte ich] wie alle anderen auch. Nur: Wie ich drüben war… Unsere Familie ist groß. Wir haben eine große Familie. Meine Eltern haben mehrere Geschwister, die wiederum Kinder haben, also meine Cousins und Cousinen. Und ich hatte zum ersten Mal Kontakt mit meiner großen Familie. Und das hab’ ich halt hier nicht. Hier waren wir wirklich nur immer zu dritt. Also mein Latino-Leben, sozusagen, mein chilenisches Leben zuhause. Und dann mein österreichisches Leben in der Schule, mit meinen Schulkameraden. Und das war einfach so wie ein warmer Regen. Das war mit soviel Liebe, soviel Freude, dass wir drüben waren… Ich weiß nicht – das war ganz schwierig, das wieder loszulassen.
[Mein erster österreichischer Wohnsitz war das Flüchtlingsheim in Mödling.] Also, ganz konkret kann ich mich nicht an alles erinnern, aber ich weiß, […] dadurch, dass wir alle, die dort gelebt haben, die Familie in Chile gehabt haben, wurden wir sozusagen alle zu einer Familie. Und viele, die dort gelebt haben […], hab’ [ich] mit Tante und Onkel angesprochen. Das war bei vielen so. Bis heute noch. Also wenn ich jemanden noch seh’, die im Alter von meinen Eltern oder etwas älter waren, sagen wir noch immer „Onkel“ und „Tante“, obwohl sie nicht wirklich meine Onkel und Tanten sind. Und die in meinem Alter oder etwas jünger waren, kann man sagen, waren irgendwie meine Cousins, meine Cousinen, weil wir haben immer draußen auf der Wiese alle miteinander gespielt. Und, ja, da ist irgendwie dieses Bild der Familie… das war dann in Mödling, sozusagen. Ich bin auch dort im Kindergarten gewesen. Und dann war ich zwei Jahre in der Maria-Theresien-Schule in Mödling. […] Um die Ecke gleich vom Flüchtlingsheim war eine Busstation und da sind wir dann ein paar Stationen mit dem Bus gefahren in die Schule. Und dann wieder mit dem Bus zurück. Zuhause waren die Arbeiten, Hausübungen machen. Und dann, wenn’s das Wetter erlaubt hat, waren wir draußen auf der Wiese mit Freunden, Freundinnen. Manchmal haben wir auch Krieg gespielt. Da gibt es diese Kletten von Pflanzen, und mit denen haben s’g’schossen. Und da hat sich meine Mama immer wieder wahnsinnig aufgeregt, wegen dieser Kletten in meinem Haar, die man wahnsinnig schwer rausbekommt. Ja, mit denen haben wir uns halt abgeschossen. Wer getroffen wurde, hat sich auf den Boden hingelegt oder man kam ins Lazarett und solche Dinge. Ich weiß nicht genau, ob das jetzt mit unserer Vergangenheit zu tun hat, dass wir diese Spiele gespielt haben, oder einfach so wie Räuber und Gendarm oder Cowboy-Spiele… Das weiß ich nicht. Aber ich kann mich erinnern, dass wir das öfter zwei Parteien gehabt haben, da haben wir uns gegenseitig abg’schossen. Ich kann mich erinnern, manchmal wurde ich dann weggetragen, weil ich verletzt war, und solche Dinge. […] Eigentlich waren das alle Chilenen. Wir waren alle Flüchtlinge, im Flüchtlingsheim. Da kann ich mich auch an eine [Anekdote], die meine Eltern erzählt haben… Die haben an einem Tag Germknödel bekommen und das ist eine Speise, die nicht sehr bekannt ist bei uns Chilenen. Und die haben nur diesen Knödel mit dieser Asche… Also für meine Eltern war da eben so eine Asche drauf… und viele haben sie einfach weggeschmissen. Mein Vater liebt die Germknödel jetzt! Ja? Und wenn er jetzt zurücküberlegt, dass viele das weggeschmissen haben, weil sie einfach die Speise nicht gekannt haben… ein Ding mit irgendeiner Asche drauf, es war voll das, ja? Und jetzt im Nachhinein ist es so eine Schmunzelgeschichte von früher.
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