Ausstellung / Daniela Bichl 8/14
Meine Mutter hat ja im Flüchtlingsheim gewohnt, dann hat sie meinen Vater kennengelernt und die haben sich dann eine Wohnung in Wien gesucht. Da hat sie auch gearbeitet. Zuerst hat sie eine Lehre absolviert in einem Schuhgeschäft und dann hat sie in der Hotellerie gearbeitet, auch ganz klassisch als Stubenmädchen, Reinigungskraft. Für sie war es sehr schwierig, in der Schule Anschluss zu finden. Sie ist mit 14 […] in Österreich angekommen und sie hat gemeint es war dann… Also mein Opa hatte dann schon alles organisiert, da er schon hier gelebt hat, und am nächsten Tag hat’s geheißen: „Ab in die Schule!“ Oder zwei Tage später… Und sie hat natürlich nix verstanden und für sie war das auch keine langfristige Perspektive, hier zu bleiben, und sie hat die Schule boykottiert, sagt sie auch immer. Sie wollt’ auch nicht Deutsch lernen und im Flüchtlingsheim war das irgendwie auch nicht notwendig, weil eh alle aus Chile oder Argentinien waren. […] Für sie war das eine Parallelgesellschaft, in die sie sich nicht… Es war auch ein Protest, auch gegen meine Großeltern, wie sie das oft sagt, weil sie selber wollte gar nicht nach Österreich. […] Sie war mitten in dem Leben, das Teenager einfach führen: die erste Liebe, Fortgehen… und trotz dieses ganzen Dramas, das in Chile war… aber irgendwie geht das Leben ja dann trotzdem in einem verringerten Ausmaß weiter und sie wurde aus dem allen rausgerissen und dann hier eingepflanzt, von einem Haus mit Garten und Hund in ein Flüchtlingsheim, in ein Zimmer. Und sie hat dann gesagt: „Ja gut, ihr zwingt mich jetzt, hier zu sein, aber sobald ich volljährig bin und selber entscheiden kann, bin ich wieder… geh’ ich wieder zurück.“ Und sie hat da auch eine Liebe zurückgelassen in Chile… und die haben sich Briefe geschrieben und sie hat dann viel später erfahren, dass ihre Mutter und die Mutter von ihrem Boyfriend damals sich die Briefe nicht aus… nicht mehr… irgendwann nicht mehr weitergeleitet haben, weil die g’sagt haben: „Es bringt irgendwie nichts, weil die leiden da und man weiß nicht, wie lange das dauert und das ist unnötig.“ Und sie hat da gemeint, dass sie da auch viel Liebeskummer auch einfach hatte und das für sie viel relevanter war als die politische Situation… Und eben irgendwie auch diese Liebe, die erste Liebe zu verlieren und die Freunde zu verlieren, aber dann…baut man sich das da im Flüchtlingslager vielleicht wieder auf… und sie hat dann… irgendwann, ja… hat sie dann doch nach ein paar Jahren erkannt, ja, das wird wahrscheinlich doch ein bissl länger dauern und dann… Dadurch dass die schulischen Erfolge nicht da war’n, hat mein Opa dann gemeint, sie soll eine Lehre machen, und die hat sie dann auch gemacht. Und dann gab’s diese ökonomische Freiheit durch das Geld, das sie […] als die Lehrlingsentschädigung bekommen hat, und dann ist sie in Wien geblieben. Weil sie hat in Wien eine Lehrstelle gehabt und sie hat dann gesagt, irgendwann hat sie sich dort ein Zimmer g’nommen mit einer Arbeitskollegin, die haben sich eine Wohnung geteilt. Sie ist dann nicht mehr so oft nach Vorderbrühl gefahren und dann hat sie irgendwann halt meinen Vater kennengelernt und die haben sich dann verliebt und […] irgendwann ist sie dann schwanger mit mir geworden und das war dann in einer kleinen Wohnung in Wien, wo sie mit meinem Vater dann zusammengezogen ist, geheiratet hat und dann war’n das die Besuche am Wochenende im Flüchtlingslager. Also so hat dann unser Leben ausgesehen: am Wochenende bei den Großeltern im Flüchtlingslager, diverse Geburtstagsfeiern und unter der Woche in Wien. Wir sind dann, als ich sechs Jahre war, nach Hainburg an der Donau gezogen. […]
In Wien war’n die Mieten dann recht teuer und die Wohnungen sehr klein und irgendwie hat sie dann doch auch irgendwie so dieses Ideal im Kopf gehabt: „Ja, ein Haus, das wär’ schon nett und a bissl ruhiger!“ […] Meine Großeltern haben auch nicht ewig im Flüchtlingsheim gewohnt, die haben dann eine Wohnung bekommen, in Wien im 23. Bezirk und dann hab’ ich meine Volksschulzeit in Hainburg an der Donau verbracht und dann haben sich meine Eltern getrennt und wir sind dann wieder zurück nach Wien. […] In der Volksschulzeit ist es super – die Kinder am Land! […] Es ist super, es ist behütet, ich bin schon ab der ersten Klasse zu Fuß in die Schule gegangen und wir hatten die Donau… […] Oft waren dann unsere ganzen Verwandten […] bei uns, weil wir dann bei der Donau waren, gegrillt haben und unterwegs waren in der Natur. […]
Unser Leben war von Montag bis Freitag sehr österreichisch, weil mein Vater auch Österreicher ist und meine Mutter […] sagt immer, die ersten vier Jahre in Österreich, bis sie ihn kennengelernt hat, hat sie so fast kein Deutsch gesprochen. Und dann […] ist das halt recht schnell gegangen. Und ja, da haben wir ein sehr österreichisches Leben geführt. Meine Mutter […] hat in einer Bäckerei gearbeitet und ich bin dort in die Schule gegangen, da gab’s keine anderen Chilenen oder Chileninnen und wir haben auch Deutsch gesprochen zuhause, weil mein Vater kein Spanisch konnte. Und am Wochenende war dann immer… Chile-Time, würd’ ich sagen, weil entweder sind die Verwandten zu uns gekommen oder wir zu ihnen oder, wenn wir in Wien waren, dann gab’s halt irgendwelche Feste oder Zusammenkünfte der Chileninnen.
[Mein Vater ist dann auch] mitgekommen und einerseits fand er das cool und lustig und […] er sagt das auch selber immer: diese Wärme… Das ist sehr klischeehaft, aber er sagt das selber so: diese südländische Wärme… er kennt das von seiner eigenen Familie nicht… Also meine Großeltern waren für ihn Mami und Papi. […] Anderseits schon auch das Nicht-Spanisch-Können und irgendwie auch so… doch mangelndes Interesse, es zu lernen… [was] auch zu Konflikten geführt hat, weil er dann auch nicht Lust hatte, jedes Wochenende dort zu verbringen. Und das hab’ ich schon auch in der Ehe meiner Eltern mitgekommen, dass das immer wieder zu Konflikten geführt hat […], aber für meine Mutter war das irgendwie… das war auch die Erwartung an sie, dass man das Wochenende gemeinsam verbringt. […]
Für uns war’s schön, weil wir Kinder uns gesehen haben. […] Also meine Cousine und ich, wir sind nur ein Jahr auseinander, wir waren dann wie Schwestern eigentlich. Und unsere Brüder, ja, die waren dann halt so ein bissl ein Übel einerseits, andererseits haben wir einfach zu viert [eine] unbeschwerte Zeit gehabt […]. Wir haben unser Ding gemacht und waren auf eine gewisse Art und Weise auch frei… Und auch diese chilenischen Festln und Zusammenkünfte verbinde ich mit viel Freiheit… Volksstimme-Fest, Macondo… Die waren dann froh, wenn wir unser Ding gemacht haben und uns nicht verletzt haben [lacht]
Was nicht so positiv besetzt war manchmal: […] diese Ausgrenzung, die ja auch immer auch in beide Richtungen auch stattfinden kann… Und bei mir war das dann oft so: „[…] Es sind ja gar nicht deine beiden Eltern aus Chile, nur deine Mutter und dein Vater nicht.“ Und dann war das auch […] wieder so ein bissl so ein ausgrenzender Faktor. […] Vielleicht nicht boshaft, aber war schon immer wieder Thema.
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