Interview mit Cristina Musa

Pensionistin in Wien | Interview geführt von Rayen Cornejo Torres am 6. Juni 2023 in Eggenburg | Transkribiert von Natalia Pino | Übersetzung aus dem Spanischen von Andrés Peña

Ich wurde in der Stadt Quillota geboren. Ich wuchs in Calera auf, bis ich 15 Jahre alt war. Danach bin ich mit meinen Eltern nach Viña del Mar gezogen. Dort habe ich das Gymnasium abgeschlossen. Später habe ich geheiratet, zwei Töchter bekommen und wollte gerade ein Studium beginnen, als der Putsch kam. Jetzt bin ich 71 Jahre alt, im September werde ich 72. Ich habe einen Abschluss als Buch­halter­in gemacht, weil ich in Kuba studiert habe. Und hier habe ich als Buchhalterin gearbeitet, aber erst musste ich meinen Abschluss validieren.
Die Träume waren, den Prozess fortzusetzen und das gesamte Programm, die die Regierung Allende ausge­arbei­tet hatte, erfolgreich umzusetzen. [Besonders wichtig in unserem Programm war mir] die Gleichheit. Gleichstellung der Geschlechter, Gleichstellung für alle. Und dass jeder Zugang zu allem hat, zu Bildung, zu Gesundheit. Das waren die wichtigsten Punkte. Ich war eine Aktivistin in der Sozialistischen Jugend, ich hatte eine Führungsposition in der Jugend in Viña del Mar inne und ich machte bei den Mütterzentren mit. Ich war auch an einem Projekt beteiligt, das wir in Viña del Mar in einem höheren Ortsteil durchführten, in Achupallas. Dort gab es ein Lager, eine Zeltstadt. Es hieß Salvador Allende-Lager, dort lebten Familien, die nichts hatten. Es gab keine Straßen, es gab nichts. Es war ein Slum. Und wir haben ein Projekt mit Leuten aus verschiedenen politischen Parteien gestartet.

Mit Universitätsprofessoren, Personen aus ver­schie­de­nen Lagern. Wir wollten den Leuten beibringen, wie sie mit dem, was sie hatten, überleben oder besser leben konnten. Und es wurden Alpha­beti­sierungs­kurse abgehalten, denn es gab viele Analpha­beten. Es gab das Problem, dass die Männer zwar mit dem Prozess einverstanden waren und sagten: „Nein, ich bin ein Revolutionär“, aber zu Hause waren sie es nicht. Wenn sie also von der Arbeit nach Hause kamen und ihre Frauen einen Kurs besuchten, waren sie wütend. Wir haben es also geschafft, dass sie auch ihre Men­tali­tät geändert haben. Das haben wir unter anderem dadurch erreicht, dass wir einen Familiensonntag veranstaltet haben, an dem die Frauen an ver­schie­de­nen Seminaren und Kursen teilgenommen haben. Die Männer mussten kochen und sich um die Kinder kümmern. Ich unterstützte auch die so genannten JAP, die Juntas de Abastecimiento [Anm.: Versorgungsräte], weil die Händler Lebensmittel und alles andere, was sie brauchten, in einem Haus horteten. Diese JAP-Grup­pen wurden in den verschiedenen Vierteln ein­gerich­tet und es wurden Personen ernannt, die diese Grup­pen leiten konnten, um eine bessere Verteilung der Lebensmittel zu ermöglichen, wenn sie ankamen.
  weiter lesen