Interview mit Carla Bobadilla

Künstlerin und Lehrende an der Akademie der Bildenden Künste, Wien | Interview geführt von Rayen Cornejo Torres am 20. Juni 2023 in Wien | Transkribiert von Gabriela Paz Dossow Ponce | Übersetzung aus dem Spanischen von Berthold Molden

Ich bin 47 Jahre alt, geboren Ende der 1970er Jahre in Valparaíso – und das sage ich immer so, denn ich halte es für sehr wichtig, daran zu erinnern, dass frau mitten in der Diktatur geboren wurde. Oder sagen wir, in dem Moment, als die Diktatur begann.
Meine Mutter war eine äußerst emanzipierte Frau, sehr arbeitsam, und mein Vater… also im Rahmen der […] patriarchalen Struktur Chiles ermöglichte er mir zwar viele Dinge, finanzierte mir etwa die Ausbildung und akzeptierte meine Lebensentscheidungen. Doch immer mit dieser Frage: „Aber du bist eine Frau. Du bist doch eine Frau, oder?“ Als würde er sagen: „Mal sehen, aber du bist eine Frau. Überlege dir das lieber genau!“ […] Damit hatte ich viel zu kämpfen. Meine Mutter kam aus einer etwas, sagen wir, wohlhaben­deren Familie als mein Vater. Daher hatte meine Mutter viel Zugang zu einer Art Intellektualität, auch wenn sie nicht studiert hatte. […] Eine Art Bildung im Sinne einer Weltsicht. […] Und deshalb war meine Mutter eine Person mit großer Empathie für linke Bewegungen. Mein Vater dagegen kam aus einer Familie mit einer, sagen wir, ziemlich schwierigen Situation. […]

So musste er mit 14 Jahren schon zu arbeiten anfangen […] Ich denke, er war kein Pinochet-Anhänger, aber für ihn war es sehr schwer hinzunehmen, dass die Unidad Popular-Regierung ihm sein Geschäft wegnahm. Denn er hatte es endlich zu einer Fleischerei gebracht, in unserem Viertel in Valparaíso. Die Fleischerei war sehr klein, aber damit konnte er die Privatschulen und Universitätsausbildung seiner drei Kinder bezahlen. Doch als die Stunde der Unidad Popular kam, […] da nahm sie ihm die Fleischerei weg und [erklärte ihm]: „Jede Familie darf das und das besitzen.“ Das traf ihn sehr hart, denn mit seinem armen Hintergrund hatte er es zu einer recht stabilen wirtschaftlichen Situation gebracht und dann kommt die Unidad Popular und sagt: „Ok, dein Geschäft gehört nicht mehr dir, sondern der Gemeinde.“ Und außerdem konnten meine Mutter und er und meine Brüder nun kein Filet, kein Huhn mehr essen. […] Und deshalb, wenn ich ihm [später, nach dem Ende der Diktatur] sagte: „Papa, hier wurden schlimme Fehler begangen,“ dann antwortete er mir […]: „Ja, aber uns ließen sie kein Filet mehr essen.“ Ich sagte ihm: „Aber lass doch das mit dem Filet! Schau dir an, was geschehen ist!“
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