Ausstellung / Camila Garfias 7/9
Wenn ich [die Weitergabe der chilenischen Identität an mich] an zwei Sachen festmachen würde, sollte, würd’ ich sagen: Zum einen das Gitarre-Spielen und das Musizieren. Mein Vater spielt unglaublich gut Gitarre, ich wollt immer so gut spielen wie er, ich bin leider nicht ganz so begabt. Aber das ist… Auch mein Onkel spielt sehr gut Gitarre und wir wohnen auch Tür an Tür, also sind Tür an Tür großgeworden, und mein Vater und mein Onkel haben eigentlich jedes Wochenende Gitarre gespielt, wir haben jedes Wochenende gesungen und, seit ich denken kann, singen wir dieselben Lieder und wir können die Texte nur so halbert. Und es sind immer noch dieselben Lieder, die meine Eltern schon gesungen haben, wie sie jung waren. Also das ist quasi die Weitergabe, ich glaub’ Canción Nueva ist die… die Musikrichtung. Das ist jedenfalls ein großes Ding, und das andere ist sicher die Küche. Also die Tage, an denen wir gemeinsam Empanadas gemacht haben, kann ich nicht zählen, und wo man dann quasi am Fließband die Empanadas gemacht haben, wo am Vorabend der Pino gekocht wurde und die Streitereien darüber, wie jetzt am besten die… der Teig gemacht gehört… Das ist sicher ein großes Thema ja… Essen. […] Was wir immer wieder machen, weil’s einfach ist und geil ist, ist pevre, das ist quasi Tomaten, Zwiebeln, Koriander. Weil man das einfach zu allem dazu essen kann, das find’ ich ziemlich super. Aber […] wenn wir als Familie zusammenkommen, gibt’s schnell einmal Empanadas. […] Und ich freu mich immer, wenn… Also es ist auch klar, wenn ich nach Chile fliege, kalkulier’ ich schon die Plus-Kilo ein, weil man alles isst, was man hier nicht essen kann, und das ist tatsächlich einer der großen Gründe, dass ich gerne nach Chile fliege, das ist… das Essen. Ich hab’ meine Frau vor sieben Jahren kennengelernt, wir haben letztes Jahr geheiratet. Sie ist Österreicherin. Und mit ihr hab’ ich auch… Also, ich hab’ dann schon […] mit der AKS und im VSSTÖ […] über Freundinnen auch aus diversen Bundesländern [Bezug zu Österreich bekommen], aber so ein richtiges „Österreichische-Kultur-Kennenlernen“ unter Anführungsstrichen hab’ ich mit meiner jetzigen Frau erlebt. Sie kommt von einer Familie von Landwirten und das, was man quasi als die österreichische Kultur immer wieder auch preist, ist ja sehr viel ländliche Kultur […] und sehr viel davon hab’ ich mit ihr kennengelernt. Viel katholische Tradition natürlich am Land…
[Meine Identität als Tochter von Vertriebenen] hat mich insofern anders gemacht, als ich zweisprachig großgeworden bin. Also es ist sicher der Sprachenteil. Es ist sicher auch dieser kulturelle Teil und die Tatsache, welche Geschichte ist mir transportiert worden, welche nicht… […] In einer doch sehr politisch, sehr historisch gebildeten Familie, wo ich alles aufzählen konnte, was in Chile passiert ist und in vielen lateinamerikanischen Ländern… aber ich hatte gar keinen Bezug zu dem, was in Europa passiert ist. In der Schule selber hat es mich nicht […] im Sinne von chilenischer Herkunft geprägt, sondern viel mehr die politische Prägung. […] Im Gymnasium war ich sieben Jahre lang Klassensprecherin, ich war zwei Jahre Schulsprecherin, ich bin sehr schnell politisch aktiv geworden. Und durch diesen politischen Aktivismus auch und diese Prägung hab’ ich einfach gegen jede Ungerechtigkeit gekämpft, immer. Da waren wir schon Teenager, da hat es ein Erstarken der FPÖ mal wieder gegeben, da hat’s in unserer Siedlung, hat’s zwei FPÖ-Jugendliche gegeben, die uns mal mit Gatschhupfern [Anm.: Wienerisch für Motocross-Motorräder] verfolgt haben und uns dann gefragt haben, wo unser Blut her ist. Wo wir ihnen versucht haben zu erklären, dass wir aus Wien sind und sie aber offensichtlich einen Arier-Nachweis wollten, den wir offensichtlich nicht hatten und den wir ihnen auch nicht… Also, was völlig absurd ist, aber wo ich mir auch gedacht hab’, also das war tatsächlich eine recht ungute Situation damals, weil wir doch recht jung waren, ich glaub’ wir waren 13, 14, so was. Die werden 16, 17 gewesen sein, sind auf Gatschhupfern uns hinterher gefahren… […]
Das war eine recht unangenehme Situation. Weil was sagst denn da? Also sie haben ganz genau gewusst, dass unsere Familie nicht aus Österreich ursprünglich ist, und waren offensichtlich radikalisiert. Also durch die rassistischen Parolen der FPÖ. […] Also es ist dann auch nichts Gröberes passiert und sie sind weggefahren und wir sind heimgegangen. Aber […] wenn man Meierhuber oder sonst irgendwie autochthon heißt, dann passiert dir sowas nicht, na? Oder wie meine Schwester und ich mal in den Öffis gefahren sind, wir haben uns auf Spanisch unterhalten, und irgend so eine ältere Dame uns angefaucht hat, dass wir gefälligst Deutsch reden soll, weil wir san ja in Österreich. […] Im breitesten Dialekt! Und wir ihr dann im schönsten Hochdeutsch widersprochen haben, dass wir der deutschen Sprache sehr wohl mächtig sind, wir uns bei ihr aber nicht sicher sind, so wie sie spricht… Also solche Situationen hast du schon natürlich, wenn du Migrationsgeschichten hast, auch wenn’s keine aktive Migrationsgeschichte ist. weiter lesen