Ausstellung / Camila Garfias 3/9

[Für mich als Kind war Chile] viel wichtiger als Öster­reich. Tatsächlich würd’ ich sogar sagen, ich habe erst viel, viel, viel später in meinem Erwachsenenleben einen gewissen Bezug zu Österreich als Land und seiner Kultur gefunden, weil ich sehr viel… Also, ich hatte sehr lange einen Bezug zu Chile, dann sehr bald einmal einen sehr starken Bezug zu Wien, den hab’ ich nach wie vor. Wenn wer fragt, woher ich komme, dann sag ich immer: Wien. Und wenn wer fragt, woher ich wirklich komme, dann sag’ ich: Wien Donaustadt. Weil Wien für mich so vieles repräsentiert, was ich gut finde im Leben. Aber Chile… Also, Spanisch ist meine Erst­sprache, ich habe zuerst Spanisch gesprochen und erst dann später im Kindergarten Deutsch gelernt. Wir haben Zuhause immer Spanisch gesprochen, es ist auch nach wie vor die Sprache der Emotion und des Herzens. […] Und wir haben auch den chilenischen National­feiertag immer gefeiert. Ich konnte die chilenische Cueca tanzen, bevor wir in der Volksschule Walzer tanzen gelernt haben. Das war ganz klar. Und am 11. September sind wir immer zur Gedenk­ver­an­stal­tung […], also zum Jahrestag des Putschs. Und den 18. September haben wir immer gefeiert… und den 26. Oktober haben wir eigentlich nie „gefeiert gefeiert“, aber wir haben uns halt in der Stadt angeschaut, was abgeht, weil [das] ist halt der Nationalfeiertag in Öster­reich und wir leben halt hier und da sieht man die Aktivitäten.

Aber so, dass wir den quasi begehen – im Sinne von: „Wir machen ein Fest, wir essen gemeinsam!“ – wie wir das für den 18. September gemacht haben… so war das für Öster­reich eigentlich nicht. Ich bin jetzt eigentlich sehr früh und sehr schnell einmal in Chile gewesen, weil ich ziemlich bald nach meiner Geburt eine Lungenentzündung hatte, eine sehr schwere, und unsere Kinderärztin gesagt hat: „Wenn’s irgendwie geht, fliegts nach Chile, dort gibt’s Familie, dort gibt’s Freunde und es ist Sommer.“ Und deswegen hab’ ich sehr schnell einmal – ich glaub’, die ersten zwei Jahre tatsächlich – immer nur Sommer gehabt, weil wir dann im Sommer oder im Frühling zurück nach Österreich gekommen sind, dann hier über den Sommer waren und dann wieder über den Winter, über den öster­reichischen, nach Chile geflogen sind, dort wieder Sommer. Ich hab’ auch meinen ersten Geburtstag in Chile gefeiert. Und insofern war Chile natürlich immer präsent. Neben der Tatsache, dass Chile an sich als Land, als kulturelles Erbe präsent war, war natürlich immer die politische Standhaftigkeit und Positio­nierung ein Thema. […] Und aus der Erfahrung meiner Familie kommt ganz sicher auch [meine] Motivation, sich für die Werte der Sozialdemokratie einzusetzen: Gleichheit, Freiheit, Solidarität – das sind einfach Themen, mit denen ich groß geworden bin. Ich mein’, wir wurden sehr oft mit der Internationalen aufge­weckt, auf Spanisch, ja, die gesungen wurde von einem unserer Familienmitglieder. Und das natürlich gehört dazu zu dem, was das familiäre und das kulturelle Erbe ist.   weiter lesen