Interview mit Camila Garfias-Mitterhuber

Assistentin der Geschäftsführung der Österreichischen Bundsbahnen in Wien | Interview geführt von Berthold Molden am 1. August 2023 in Wien | Interview transkribiert von Marcela Victoria Catalán Lorca

Iich bin] Camila Garfias-Mitterhuber […], seit letz­tem Jahr verheiratet. Am 15. 1. 1994 in Wien Hietzing, im jetzigen Krankenhaus Hitzing, damals Lainz, geboren. […] Aufgewachsen die ersten Jahre in Penzing. […] Als meine Großeltern nach Österreich gekommen sind, war das die Wohnung, die sie […] nach dem Flüchtlingsheim zugeteilt bekommen haben. Und in der Wohnung wohnt meine Großmutter immer noch und in der Wohnung haben wir damals gewohnt, mit diesem Ort sind sehr viele Erinnerungen ver­bun­den. […] Ich hab’ die ersten Jahre dort in Penzing verbracht, dann waren wir ein Jahr in England und dann sind wir in die Donaustadt gezogen, mit der ich mich immer noch sehr ver­bun­den fühle. [An Penzing] habe ich schon Erinnerungen, wir waren viel in Schön­brunn. Also das war quasi der nahe Garten, weil wir in einer Wohnung gewohnt haben. […] Da kann ich mich vor allem an Szenen erinnern, wie wir mit meinen Großeltern und auch mit meinen Eltern in Schönbrunn Eichhörnchen gefüttert haben, also das sind so die Erinnerungen an meine sehr schöne Kindheit, aber dann so bewusstes Erleben, als junger Mensch, war dann vor allem in der Donaustadt.[…]

Meine Eltern sind als Kinder nach Österreich gekom­men. Die haben sich hier auf einer Reise nach Paris der Sozialistischen Jugend kennengelernt. Sehr roman­tisch, zum 200-jährigen Jubiläum der Franzö­sischen Revolution. […] Meine Großmutter mütter­licher­seits ist Hebamme gewesen, hat [in Chile] als Hebamme gearbeitet. Mein Großvater war Arbeiter, der hat sehr viele verschiedene Jobs gehabt. Väter­licher­seits war der Vater in Venezuela und mütter­licher­seits… ich weiß eigentlich gar nicht, was sie gearbeitet hat, um ehrlich zu sein, ich weiß nur, dass sie dann in Österreich Flamenco-Kurse gegeben hat. Über das Leben vorher… Also meine Eltern, […] waren Kinder, es war ein Kinderleben […], meine Oma hat gearbeitet…

Ich glaub, es war ein sehr durch­schnitt­liches Fami­lien­leben, mein Opa war Kommunist und Gewerkschafter, […] war natürlich rund um die Bewe­gung der Unidad Popular sehr glücklich zu dieser Zeit und war da sehr aktiv. Mein Großvater ist dann inhaf­tiert worden, war verschwunden, meine Großmutter hat ihn gesucht und Österreich hat dann einigen Festgenommenen, also politischen Häftlingen, Asyl gewährt – immer wieder, meines Wissens – und in einer dieser Gruppen war mein Opa dabei. Und er ist mit dem Gewehr im Gnack ins Flugzeug gesetzt worden und nach Österreich gekommen und dann waren sie im [Flüchtlingslager Vorderbrühl]. Dort ist mein Großvater zuerst angekommen und dann über Familien­zusam­men­führung meine Großmutter mit meiner Mutter und ihren Geschwistern, meiner Tante und meinem Onkel. Also, ich hab’ immer viel über Chile geredet, Chile ist inhärenter Bestandteil von dem, wer ich bin. Ich bin als Chilenin groß geworden, die in Österreich lebt… hab’ zum Beispiel immer chilenische Feste gefeiert, hab’ die Geschichte des Putsches und der UP gewusst, bevor ich dann irgendwann in der Volksschule gelernt hab’, wer eigentlich Hitler war und dass es einen zweiten Weltkrieg gegeben hat. Das waren so die Themen, das hab’ ich einfach nicht gewusst, weil’s nicht […] Teil dessen war, worüber wir geredet haben, weil Chile so ein präsentes Thema war, im Groß­werden. Und ich hab’ immer sehr viele Doku­mentationen geschaut, auch immer wieder mit meinen Opa, aber er selber hat nicht sehr viel darüber geredet. Ich glaube, er wollt’ das nicht, das war sicher ein Verdrängensmechanismus […]. Für meine Mutter… Meine Mam, war halt ein Kind, ja. Für die ist das natürlich schrecklich gewesen, in ein neues Land gehen. […] Es war einer der ersten bewussten Ent­schlüsse meiner Mutter in diesem Land: Sie muss die Sprache hier sprechen, auch natürlich aus einem Verantwortungsbewusstsein als Älteste.
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